Die Gesundheitsämter im Dritten Reich

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Gesundheits- und Fürsorgewesen in Österreich radikal umstrukturiert. Gesundheits- und Sozialpolitik verschmolzen zu einer „Rassenpolitik“, die als Ziel die Schaffung eines rassisch reinen „Volkskörper“ hatte. Menschen, die nicht den nationalsozialistischen Vorstellungen entsprachen, wurden ausgegrenzt und verfolgt. Durch die Annahme der Vererbbarkeit bestimmter Krankheiten und „devianten“ Verhaltens hatte die Gesundheitspolitik im NS-Staat hohe Priorität.

Die Gesundheitsämter spielten dabei eine zentrale Rolle, indem sie als bürokratischer Motor für die Umsetzung der „Erb- und Rassenpflege“ fungierten. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) und das „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ von 1934 schufen die Grundlagen für die Macht der Gesundheitsämter. Die Gesundheitsämter waren Ermittlungs- und Vollzugsbehörde für die im GzVeN vorgesehenen Zwangssterilisierungen und damit wesentlicher Bestandteil des gesundheitspolitischen Verfolgungsapparats. Die Kompetenzen der Gesundheitsämter gingen sogar soweit, dass sie den „Erbwert“ eines Menschen festlegen konnten. Dieser reichte von „besonders wertvoll“ bis „besonders minderwertig“. Die sozialrassistischen Klassifizierungen führten in vielen Fällen sogar zur physischen Vernichtung der Betroffenen, beispielsweise im Rahmen der NS-„Euthanasie“.

Zentrales Instrument der Gesundheitsämter war die Führung von Karteien, Ordnern und Akten zu den Gesundheitsdaten der Bevölkerung. Anhand dieser „erbbiologischen Bestandsaufnahme“ konnten Personen und „Sippen“ erfasst werden, die als (potenziell) „deviant“ oder „erbkrank“ kategorisiert wurden. Die bürokratische Arbeit der Gesundheitsämter war eine der ausschlaggebenden Bedingungen für die gesundheits- und sozialpolitischen Verfolgungsmaßnahmen und Mordaktionen der Nationalsozialisten.
 

Von 1905 bis 2006 befand sich in der Seestraße 1 in Bregenz die Bezirkshauptmannschaft, in der während der NS-Zeit das Gesundheitsamt untergebracht war. Dieses Gesundheitsamt war das „bürokratische Zentrum des eugenischen Rassismus“ im Kreis Bregenz. Unter der Leitung von Dr. Theodor Leubner war das Amt maßgeblich an der Entmündigung, Zwangssterilisierung und Einweisung vieler Menschen in psychiatrische Anstalten oder Arbeitshäuser beteiligt. Auch Babys und Kleinkinder mit Behinderungen fielen den Verfolgungsmaßnahmen zum Opfer, wie die Fälle von Hertha Böckle, Karin Fleisch und Charlotte M. zeigen. Sie wurden auf Initiative des Amts in die „Kinderfachabteilung“ Kaufbeuren bzw. Eglfing-Haar eingewiesen und dort im Rahmen der „Kinder-Euthanasie“ ermordet.

Eine zentrale Rolle spielte das hiesige Gesundheitsamt auch bei der Räumung der Versorgungshäuser im Bregenzerwald 1941. Vor dem Abtransport in die „Valduna“ wurde der Großteil der „ausgewählten“ Pfleglinge im Gesundheitsamt in Bregenz gesammelt. Von der Valduna führte sie ein Transport in die Tötungsanstalt Hartheim, wo der Großteil im Rahmen der „Aktion T4“ getötet wurde. Grundlage dieser Verfolgungen bildeten umfangreiche Karteien, in denen das Gesundheitsamt „Geisteskranke“, „Psychopathen“ und „Trinker“ erfasste. Die aufgenommenen Daten ermöglichten die Erstellung von Sippenakten, in welchen ganze Familien aufschienen.

Das Gesundheitsamt Bregenz war somit ein wesentlicher Akteur bei der Umsetzung der mörderischen Gesundheits- und Sozialpolitik der Nationalsozialisten im Gau Tirol-Vorarlberg. 

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Theodor Leubner, geboren 1881 in Brünn (gest. 1970), war ein österreichischer Arzt, der während der NS-Zeit als Leiter des Gesundheitsamts Bregenz eine zentrale Rolle bei der Umsetzung eugenisch-rassistischer Maßnahmen spielte. Leubner war Amtsarzt in Bregenz und wurde 1937 Landessanitätsdirektor in Vorarlberg. Nach dem „Anschluss“ wurde er kurzzeitig wegen „Verdacht jüdischer Abstammung“ von seiner Position enthoben, kehrte jedoch 1939 nach Bestätigung seiner „arischen Abstammung“ zurück und wurde 1941 offiziell zum Leiter des Gesundheitsamts Bregenz ernannt.

Leubner war tief in die gesundheitspolitischen Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes in Bregenz verwickelt. Er war Beisitzer des Erbgesundheitsgerichts Feldkirch, das darüber entschied, wer nach den gesetzlichen Vorgaben als „erbkrank“ galt und deswegen zwangssterilisiert werden sollte. Eine zentrale Rolle spielte Leubner auch bei der Räumung der Versorgungshäuser im Bregenzerwald und in Oberlochau im Februar und März 1941 im Rahmen der NS-„Euthanasie“. Bei drei Fällen der „Kindereuthanasie“ war Leubner ebenfalls involviert.

Für seine Rolle als Leiter des Gesundheitsamts Bregenz wurde er nach dem Krieg nie verurteilt und blieb bis zu seiner Pensionierung 1948 im Amt.

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Archiv der Staatsanwaltschaft Konstanz - Ermittlungsverfahren gegen Dr. Josef Vonbun StA Konstanz Js 542/61.
Gernot Egger, Ausgrenzen-Erfassen-Vernichten. Arme und „Irre“ in Vorarlberg (Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlberg 7), Bregenz 1990, S. 162-163.
Ina Friedmann, Umsetzung und Durchführung der Zwangseingriffe im Gau Tirol-Vorarlberg, in: Ina Friedmann/Dirk Rupnow (Hrsg.), Zwangssterilisierungen und „freiwillige Entmannungen“ in Tirol und Vorarlberg 1938-1945 (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs 77), Innsbruck 2024, S. 45−213, hier S. 90-109.
Gernot Kiermayr, Warum musste Oswald Schwendinger sterben? Dier Verfolgung der „Gemeinschaftsfremden“ in Vorarlberg im Nationalsozialismus (Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 18), Bregenz 2023. S. 71-80.
Jens Kolata, Krankheit, Wissen, Disziplinierung. Öffentliche Gesundheitsfürsorge in Frankfurt am Main zwischen Sozialhygiene und Eugenik 1920 – 1960, Göttingen 2024.
Alfons Labisch/Florian Tennstedt,50 Jahre Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens. Dr. med. Arthur Gütt und die Gründung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in: Das öffentliche Gesundheitswesen (Thieme 46), Stuttgart 1984, S. 291-298, (https://kobra.uni-kassel.de/handle/123456789/2010030132131.
Vorarlberger Landesarchiv, Amt der Vorarlberger Landesregierung III, PrsP-P00313, Personalakt Theodor Leubner.

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