Ein Leitspruch, der keiner mehr ist

Das Gebäude der heutigen Mittelschule Stadt in Bregenz wurde in den Jahren 1913/14 nach Plänen des Architekten Willibald Braun errichtet. Aus dieser Zeit stammt auch der Leitgedanke für die damalige Bildung, der sich auf großen Lettern an den beiden Torbogen vor dem Eingang wiederfindet: „Deutsche Art in Ehr und Pflicht erblüh in Gottes Luft und Licht“.

Die Inschrift auf dem denkmalgeschützten Objekt, die der deutschnationalen Gesinnung vor über 100 Jahren entsprach, wird seit dem Nationalsozialismus als „politisch nicht korrekt“ empfunden und irritierte in den vergangenen Jahren zurecht so manchen Betrachtenden. Die Erklärung des Historikers Meinrad Pichler über die Provenienz des Satzes auf einer eigens angebrachten Tafel direkt darunter fand dagegen kaum Beachtung. 

Aus diesem Grund entschied sich die Stadt Ende März 2022 dazu, Geld in die Hand zu nehmen und den Spruch in Abstimmung mit dem Denkmalamt durch eine künstlerische Intervention von Marbod Fritsch zu „entschärfen“. Dem Ergebnis, das jetzt vorliegt, gingen eine intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit den Gegebenheiten, drei verschiedene Entwürfe, eine Besprechung aller Beteiligten vor Ort sowie eine Jury-Sitzung voraus. Es erlaubt die Beibehaltung der historischen Ornamente durch ein vorgelagertes Gitter aus Metall, das dem Verlauf der beiden Torbogen folgt.

Die Arbeit von Marbod Fritsch „entlehnt Begriffe aus dem Artikel 26 der Menschenrechte und bindet diese Substantive mit Lettern aus Metall großformatig ein. Auch rückt aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage das Bewusstsein für Humanität, Gerechtigkeit und Menschlichkeit in den Fokus. Die Verantwortung, eine Gesellschaft in ihrer Haltung zu einem kritischen Blick zu unterstützen, wird mit dieser Intervention verankert“, heißt es im entsprechenden Stadtratsbeschluss. Für die künstlerische Intervention und deren Umsetzung investierte die Stadt alles in allem 22.000 Euro.

„Die Gebäudehülle wurde zwar 1993 saniert, der Denkmalschutz verhinderte aber die Entfernung der Inschrift, die zwar nicht aus der NS-Zeit stammt, aber aus heutiger Sicht dennoch völlig aus der Zeit gefallen ist. Ich denke, dass es Marbod Fritsch mit seinem Kunstwerk gelungen ist, ein missverständliches Fassadenelement so zu kaschieren, dass man daran keinen Anstoß mehr nehmen muss“, meinte Bürgermeister Michael Ritsch zufrieden.

Kulturstadtrat Michael Rauth: „Das Zitat stammt aus der Zeit des Schulbaus 1913/14 und war damals durchaus üblich und gängig. Die künstlerische Installation von Marbod Fritsch, die den Spruch nun in den Hintergrund rückt, gewährleistet, dass er in der heutigen Zeit bei verschiedenen Menschen nicht mehr zu Verwirrungen führt. Die Intervention wird der heutigen Zeit gerecht, nachdem unterschiedlichste Nationen und Kulturen diese Schule besuchen“.

„Wenn man in Zeiten wie diesen Schule betrachtet, muss man sie als eine multikulturelle Institution sehen. Wir haben inzwischen 16 verschiedene Nationen an der Schule. Darauf sind wir stolz und sehen dies auch als Chance und Herausforderung. Der Spruch über dem Eingang ist in diesem Zusammenhang völlig aus der Zeit gefallen. Wir sind sehr glücklich mit der jetzigen Konnotation zu den Menschenrechten“, sagte Direktor Bernhard Posch.

Und Künstler Marbod Fritsch abschließend: „Ich wollte diesen Spruch in einen Kontext setzen und nicht nur einfach überdecken. Für mich war es wichtig, nicht einfach eine Position der Erhabenheit über die damaligen Gesinnungen einzunehmen. Ich nenne es auch ‚Ge-schichte‘ – Geschichte setzt sich aus verschiedenen Schichten zusammen. Der Spruch entstand damals in einem völlig anderen Kontext. In 100 Jahren werden die Menschen vielleicht mit der gleichen moralischen Erhabenheit über uns denken, wie wir über jene Zeit denken, in der dieser Spruch entstanden ist. Daher war es mir wichtig, dass man durch meine Installation den ursprünglichen Spruch weiterhin sehen kann, also weiterhin einen Bezug hat, und trotzdem eindeutig merkt, dass sich viel verändert hat in der Zeit und die Grundhaltung heute eine andere ist.“

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