Vorarlberger Landeszeitung 26. 7. 1890 S. 2 Die Städtische Badeanstalt ist eröffnet Den mannigfachen und meist bedeutenden Investitio- nen, zu welchen die Landeshauptstadt Bregenz in dem gewaltigen Vorwärtsdrängen der letzten Jahre sich veran- laßt sah, reiht sich eine Schöpfung an, deren Gemeinnützig- keit von Niemandem bezweifelt wird, die vielmehr von allen auf das lebhafteste und mit dankbaren Gefühlen begrüßt wird: die städtische Badeanstalt. Das Bedürfnis nach einer Anstalt, welche es ermöglichte, daß beide Geschlechter zu jeder Tageszeit ihre Bäder nehmen können, die zugleich mit mehr Raum, auch mehr Comfort als die bestandenen Bade- gelegenheiten darböte, das war schon lange vorhanden und es wurde zur unabweislichen Nothwendigkeit, seit der Sturm in einer Nacht das Bosch’sche Herrenbad hinwegge- spült hat. Nun war Bregenz um eine Badegelegenheit ärmer, während sich in der continuirlich wachsenden Bevölkerung ein erhöhtes Bedürfniß nach einer zeitgemäß eingerichte- ten Seebadanstalt immer lebhafter kundgab. Der Stadtrath verschloß sich dieser Erkenntniß nicht, er begeisterte sich für das Project zu einer eigenen städtischen Anstalt und die Thatkraft, mit der er die Verwirklichung desselben anstrebte und die einmüthige und nachhaltige Unterstützung, wel- che er von Seite der Stadtvertretung fand, verdienen das höchste Lob und sind des aufrichtigsten Dankes der Mit- bürger werth. Heute steht der schöne Plan in herrlicher Ver- körperung vor unseren Augen und auch bereits im vollen Betriebe. Sehen wir uns die Anlage an. Ein breiter Steg, vor dem ein kleiner Vorplatz noch der Umgestaltung zu einem Gärtchen harrt, führt zu der viele Meter vom Ufer ab gele- genen Anstalt. Sie weist uns zunächst eine 42 Meter lange, elegante Fassade, die etwas Properes hat und Vertrauen einflößt. Der erste Schritt führt in eine Art Vestibüle, in dem die Casse ist und rechts die Männer-, links die Frauen- Abtheilung einmündet. Da diese beiden Abtheilungen, was Eintheilung und Einrichtung betrifft, in der Hauptsache ein- ander gleich sind, genügt es, wenn wir nur von der einen ein Bild zu entwerfen suchen. Wir treten in einen Raum, der auf drei Seiten von dem Holzbau umfangen ist, der die 25 Cabinen für Schwimmer und für Nichtschwimmer in sich schließt. Vor uns liegt nämlich das dreigetheilte Hauptbas- sin, mit dem sogenannten Männerkorb, dem Kinderkorb und dem Bassin für freie Schwimmer. Jede dieser Abtheilungen bietet für eine größere Anzahl Badender Raum. Die Körbe werden nach dem Seestande regulirt und schließen jede Gefahr unbedingt aus. Träte ein bedenklicher Fall ein, was doch nur sein könnte, wenn ein des Schwimmens unkundi- g er im Schwimmbassin Versuche machte, oder wenn einen Schwimmer ein plötzliches Unwohlsein befiele, so ist für Rettungswerkzeuge wahrlich hinlänglich gesorgt. Da gibt es Schwimm- und Wurfringe, Corkringe und sogar ein eige- nes Rettungsboot, das in wenigen Minuten flott zu machen ist und in See stechen kann. Nun wandeln wir auf den fei- nen Cocosläufern lautlosen Schrittes durch den 29 Meter tiefen Gang und blicken in die verschiedenen Gelasse. Wir treffen ganz ansehnliche Ankleidezimmer für Knaben (jen- seits für Mädchen). Die Cabinen enthalten je eine Fallthüre, durch welche der Badegast successive tiefer in den See gelangt. Auch hier ist alles Bequemlichkeit, Sauberheit und unbedingte Sicherheit. Links vorne am Gange ist die Dou- che angebracht, die einen vollen Strahl oder eine Brause spendet. Im eigentlichen Herzen der Anstalt befinden sich die Räume für die Wäsche, und zwar für vorräthige und für hinterlegte Wäsche. Die Wäschevorräthe enthalten nur feine Stücke, mit practischem zweckdienlichen Schnitte. Anstoßend sind Toiletten, Waschküche, Bedienstetenzim- mer und dergleichen. Der Gesammteindruck, den ein Gang durch die städtische Badeanstalt macht, ist, kurzgesagt ein ganz vortrefflicher und mit Erstaunen nimmt man gewahr, für was da alles vorgesehen ist. Überall, wohin man blickt, auch in den administrativen Einrichtungen offenbart sich ein wohlthuend practischer, kaufmännisch sicherer Geist. Und dieser gute Geist mag Bürge sein für das gedeihliche Aufblühen der Anstalt, die immer ein Stolz unserer Stadt und ein Zeugniß ihres kräftigen Emporringens sein und bleiben wird! 8 Kann denn Baden Sünde sein?